Fragen an Lama Ole

Ich bin Psychotherapeut und gebe zornigen, blockierten Leuten normalerweise den Rat, ihre Wut rauszulassen. Würdest du davon in jedem Fall abraten?


Antwort von Lama Ole Nydahl:
Ich stehe voll und ganz dahinter, dass wir das nicht tun. Der Geist ist ein Gewohnheitstier. Wenn man sich heute einmal erlaubt, zornig zu werden, ist man morgen zweimal zornig. Und übermorgen ist man einsam, weil die Mitmenschen keine zornigen Menschen mögen.

Wir haben ja schon eine ganze Generation von Singles geschaffen, weil jeder seine eigenen Trips und Gefühle so sehr ernst nimmt und denkt, dass sie vollkommen wichtig und bedeutend sind. Buddhas und mein eigener Rat sind deshalb: Behandle den Zorn als einen vollkommen peinlichen, unangenehmen und etwas zu anhänglichen Kunden. Gib keinerlei Energie rein. Ist der Zorn wieder da, versuche keine Energie reinzugeben.
Wichtig ist der Versuch, die Bedingungen zu entfernen, durch die Zorn entstehen würde. Der Zorn war früher nicht da, er ist später nicht da, aber wenn ich ihn jetzt lebe, dann tue ich etwas, das hinterher zu ganz viel Leid führt.
Kein Drama machen, eher steife Oberlippe, ein Gesicht aufsetzen, das man zeigen kann und dann innerlich bei der Meditation die Sachen abarbeiten und gehen lassen.
Wichtig ist auch zu wissen, dass Buddhismus da anfängt, wo Psychotherapie aufhört. Manche Leute, die auf dem buddhistischen Weg sind, brauchen einen guten Psychologen und das ist in Ordnung. Wer aber auf einer Ebene angekommen ist, wo er zu sich selber und seiner Vorstellungswelt stehen kann, der kann die Dinge vorbeiziehen lassen, ohne Energie hineinzustecken.